Woran erkenne ich eine gute Bindung zum Hund?

Bei mir dreht sich ja viel um die Beziehung und Bindung zwischen Mensch und Hund. Aber was ist das überhaupt?

Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist etwas Einzigartiges, geprägt von Vertrauen, Respekt und gemeinsamen Erlebnissen. Aber wie erkennt man, ob die Bindung zu seinem Hund wirklich sicher und gesund ist? Und was genau bedeutet „Bindung“ im Gegensatz zur allgemeinen „Beziehung“? In diesem Artikel kläre ich euch die Unterschiede, beleuchten wissenschaftliche Erkenntnisse zu Bindungstypen und zeigen, was wirklich für eine gute Bindung spricht.

Bindung vs. Beziehung: Der Unterschied

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen der Beziehung zu deinem Hund und der Bindung, die ihr teilt:

  • Beziehung:
    Die Beziehung beschreibt die Gesamtheit aller Interaktionen, die du mit deinem Hund hast. Sie kann positiv oder negativ geprägt sein – je nachdem, ob Vertrauen, Zuneigung und Respekt vorherrschen oder ob Konflikte die Interaktionen belasten.
  • Bindung:
    Bindung ist eine emotionale Verbindung, die durch Vertrauen, Sicherheit und eine verlässliche Basis geprägt ist. Hunde orientieren sich an ihrem Bindungspartner, suchen Schutz und Unterstützung und fühlen sich bei ihm sicher. Dabei hat eine gesunde Bindung nichts mit Abhängigkeit zu tun – ein Hund mit einer sicheren Bindung zeigt ebenso eigenständiges Verhalten wie Erkundung und Selbstvertrauen.

Die vier Bindungstypen

Ähnlich wie bei der Bindungsforschung bei Menschen (insbesondere Kindern) hat die Wissenschaft auch bei Hunden verschiedene Bindungstypen identifiziert. Diese sind:

  1. Sichere Bindung:
    Der Hund fühlt sich in der Nähe seines Halters sicher, zeigt entspanntes Verhalten und kann sich auch eigenständig in der Umgebung bewegen. Der Halter fungiert als sichere Basis, zu der der Hund gerne zurückkehrt, aber er „klebt“ nicht an ihm.
  2. Unsicher-vermeidende Bindung:
    Hunde mit diesem Bindungstyp scheinen unabhängig und distanziert, vermeiden jedoch aktiv Nähe oder Interaktion mit ihrem Halter. Dieses Verhalten kann aus schlechten Erfahrungen oder mangelndem Vertrauen resultieren.
  3. Unsicher-ambivalente Bindung:
    Hunde dieses Typs zeigen widersprüchliches Verhalten: Sie suchen einerseits Nähe, sind andererseits jedoch nervös oder gestresst, wenn sie in der Nähe ihres Halters sind. Dies kann auf inkonsistente Interaktionen zurückzuführen sein.
  4. Desorganisierte Bindung:
    Bei diesem Bindungstyp zeigt der Hund chaotisches Verhalten, oft geprägt von Unsicherheit und Angst. Dies kann auf Traumata, Misshandlungen oder eine sehr instabile Umwelt zurückzuführen sein.

Anzeichen für eine gute (sichere) Bindung

Ein Hund mit einer sicheren Bindung zeigt typischerweise folgende Verhaltensweisen:

  1. Erkundungsverhalten:
    Dein Hund bewegt sich selbstbewusst in seiner Umgebung und entfernt sich auch von dir, kehrt jedoch regelmäßig zurück, um „einzuchecken“. Ein glücklicher Hund zeigt Interesse an seiner Umwelt!
  2. Hund ist gerne bei dir:
    Trotzdem, dass es eine Welt außerhalb des „Rudels“ gibt, folgt er dir gerne überall hin, weil er sich interessiert, was du grad so machst und gerne dabei ist. Dabei ‚klebt‘ er aber nicht an dir.
  3. Nähe suchen bei Unsicherheit:
    In ungewohnten oder stressigen Situationen sucht dein Hund deine Nähe, um Sicherheit und Unterstützung zu erhalten.
  4. Der Hund reagiert auf deine Stimmung:
    Der Hund weiß vielleicht nicht, warum du traurig, erfreut, zornig, nachdenklich,… bist aber er nimmt deine Stimmung wahr und reagiert darauf.
  5. Hund zeigt Emotionen:
    Der Hund zeigt alle Emotionen auch in deiner Gegenwart und ist nicht apathisch oder teilnahmslos.
  6. Kommunikation:
    Dein Hund sucht aktiv den Kontakt zu dir, sei es durch Blicke, Gesten oder Signale. Er „fragt“ dich quasi nach deiner Meinung, zum Beispiel, ob er etwas tun darf oder soll.

Was eine gute Bindung nicht ist

Es gibt einige Missverständnisse darüber, was eine gute Bindung ausmacht. Hier ein paar Beispiele, was keine sichere Bindung bedeutet:

  • Ständiges Folgen:
    Ein Hund, der seinem Halter nicht von der Seite weicht, könnte auch Unsicherheit oder Trennungsangst zeigen. Eine sichere Bindung erlaubt dem Hund, eigenständig zu handeln und die Umwelt zu erkunden.
  • Signalignoranz als Zeichen von schlechter Bindung:
    Ein Hund, der Signale nicht immer befolgt, zeigt nicht unbedingt eine schlechte Bindung. Viele Faktoren wie Ablenkung, Stress oder mangelndes Training können hier eine Rolle spielen.
  • Verhalten aus Angst:
    Hunde, die aus Angst „gehorchen“, sind nicht gut gebunden, sondern reagieren lediglich auf Druck oder Furcht. Eine solche Dynamik ist nicht gesund und sollte nicht mit Bindung verwechselt werden.

Wie du die Bindung zu deinem Hund stärken kannst

Eine sichere Bindung entwickelt sich durch positive, konsistente Interaktionen. Hier sind einige Möglichkeiten, wie du die Verbindung zu deinem Hund stärken kannst:

  1. Körpersprache lesen lernen
    informiere dich über die Körpersprache des Hundes. Nicht jedes Ablecken ist ein Liebesbeweis, nicht jedes Wedeln entspringt der Freude und viele Hunde möchten nicht immer bekuschelt werden. Zu erkennen, was der Hund möchte und danach zu Handeln ist eine Grundlage einer sicheren Beziehung.
  2. Verlässlichkeit zeigen:
    Sei ein sicherer und vorhersehbarer Partner für deinen Hund. Strukturen und Erwartungssicherheit ihm Orientierung.
  3. Positive Erfahrungen schaffen:
    Gemeinsame Aktivitäten wie Spiele, Training oder einfaches Kuscheln (wenn der Hund das möchte) fördern das Vertrauen und die Freude am Zusammensein.
  4. Geduld und Verständnis:
    Besonders bei Hunden aus dem Tierschutz oder mit traumatischen Erfahrungen braucht es Zeit, um Vertrauen aufzubauen.
  5. Kooperation statt Kontrolle:
    Arbeite mit deinem Hund zusammen, anstatt ihn zu dominieren. Belohnungsbasiertes Training zeigt deinem Hund, dass es sich lohnt, mit dir zu arbeiten.
  6. Gemeinsame Abenteuer erleben:
    Spaziergänge, Ausflüge oder das Erkunden neuer Umgebungen stärken die Bindung und geben deinem Hund die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen.

Fazit: Eine Bindung, die trägt

Eine gute Bindung zu deinem Hund ist geprägt von Vertrauen, Sicherheit und gegenseitigem Respekt. Sie entsteht nicht über Nacht, sondern entwickelt sich durch konsequentes und liebevolles Handeln. Indem du deinen Hund als Individuum betrachtest, auf seine Bedürfnisse eingehst und ihm eine sichere Basis bietest, schaffst du die Grundlage für eine Beziehung, die ein Leben lang hält.

Weiterführende Info inkl. Links zu Bindungstheorie:

Die Bindungstheorie, ursprünglich von John Bowlby und Mary Ainsworth für menschliche Beziehungen entwickelt, wurde in mehreren Studien auf die Mensch-Hund-Beziehung übertragen. Diese Untersuchungen zeigen, dass Hunde ähnliche Bindungsmuster wie Kinder aufweisen können.

Eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien ergab, dass die Mensch-Hund-Beziehung der menschlichen Mutter-Kind-Bindung sehr ähnlich ist. Verhaltensstudien und MRT-Untersuchungen zeigten, dass Hunde mehr Aktivität in Hirnarealen aufweisen, die mit Belohnung oder Bindung zusammenhängen, wenn sie ihre Halter sehen.

Veterinärmedizinische Universität Wien

 

Eine ganze Reihe neuer Studien belegt, dass Hunde die Gefühle von Menschen nicht nur wahrnehmen können, sondern sich diese auch auf sie übertragen.

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/10/ansteckende-emotionen-hunde-und-ihre-besitzer-fuehlen-gleich

 

Ein Artikel im „Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ diskutiert die Übertragung der Bindungstheorie auf die Hund-Mensch-Beziehung und beschreibt verschiedene Bindungsarten, die in wissenschaftlichen Studien identifiziert wurden.

Digital Magazin

https://www.digitalmagazin.de/marken/blw/hauptheft/2022-8/dorf-und-familie/064_bindungsarten-in-der-mensch-hund-beziehung

 

Zudem zeigt eine Studie ungarischer Wissenschaftler, dass beim Hund auf neuronaler Ebene ähnliche Bindungsprozesse ablaufen wie bei einem Kind. Die Untersuchung kombinierte Verhaltenstests mit neuronalen Daten und fand heraus, dass Hunde in belohnungssensiblen Hirnarealen mehr Aktivität zeigen, wenn sie die Stimme ihrer Bezugsperson hören.

HUNDEPROFIL

Diese Studien legen nahe, dass die Bindungstheorie auf Hunde anwendbar ist und dass Hunde unterschiedliche Bindungstypen entwickeln können, ähnlich wie Menschen.